3 2 g 0!

Veröffentlicht auf von Florian Kemmer

In meinen Vorstellungen des Frühlings in England sah ich mich selbst im T-Shirt bei Sonnenaufgang und bester Laune in die Schule radeln. Kalendarisch gesehen wäre es jetzt so langsam höchste Zeit dafür. Statt dessen sitze ich neben einer Heizung, die entweder volles Programm oder gar nicht läuft, wobei man bei letzterem tatsächlich friert. Mein einziger Trost ist die Tatsache, dass es in Deutschland wohl ähnlich kalt ist, wobei ich meine Informanten hier anzweifle, wenn ich an die Bundesligakonferenz denke, sahen die meisten Stadien nach Sonnenschein aus!

Nach dem wenig spannenden Wochenende letzte Woche beschloss ich kurzer Hand meinem wehrten Kollegen und Sterne-Koch Thorsten D. In Ipswich einen Besuch abzustatten. Als ich ankam, war Thorsten mit seinem Vermieter Bruce beim Kicken, so dass seine Lebensgefährtin Vicky und ihre Schwester Val mit Vals Kindern alleine im Haus waren. Als ich klopfte, wurde ich sehr freudig und überschwänglich empfangen, und bevor ich was sagen konnte, saß ich mit einem Bier und den beiden rauchenden und trinkenden Frauen gemütlich in Thorstens Hütte. Es entwickelte sich ein sehr netter Plausch über Gott und Welt. Schließlich kamen Thorsten und Bruce vom Fußball und gesellten sich zu uns. Bruce und Vicky verließen uns später, wobei uns Bruce noch mit auf den Weg gab, uns nicht allzu große Sorgen um das Haus zu machen.

(„F*** the house!“) Im Laufe des Abends kamen wie die Male zuvor aus allen Löchern irgendwelche Assistenten aus Österreich, Frankreich oder Deutschland, inklusive kleiner Zaubereinlage! Wie die Male zuvor war es ein sehr gemütlicher Abend, und es hat sich auf jeden Fall gelohnt, dafür nach Ipswich zu fahren! Nach mehr oder weniger Ausschlafen am Samstag entschloss ich mich, meinen Bus um zwei Uhr mit 35 minütigem Aufenthalt in Stansted fahren zu lassen. Stattdessen gingen Thorsten und ich einkaufen, und Thorsten zauberte die wohl besten Käsespätzle meines Lebens mit selbstgemachten Spätzle! Dazu muss man wissen, dass Thorsten, seines Zeichens Schwabe, wohl der einzige Assistent im gesamten UK ist, der eine SPÄTZLEPRESSE dabei hat. Leider ging die dann auch noch in die Knie, es hat aber gerade noch gelangt, um uns beide + Val und ihre Kinder satt zu bekommen. Nach diesem Festmahl haben wir uns gemütlich Fußball angeschaut und ich bin dann mit dem Zug nach Cambridge zurückgefahren.

Am Sonntag stand das Rückspiel gegen Manchester auf dem Programm, das wir vor ein paar Wochen mit dem letzten Aufgebot knapp gewonnen hatten. Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, dass wir dieses Spiel gewinnen würden, und genau, dann geht sowas in die Hose. Nach 25 Minuten hat Manchester unseren einzigen etatmäßigen Rückraumspieler in Manndeckung genommen, so dass wir in der Folge mit vier Außenspielern + Kreis auskommen mussten. Ich habe lange gezaudert und mich nicht eingewechselt, weil es bis zur 50 Minute trotzdem nach Sieg aussah. In der 55. Minute war das Ding dann allerdings so gut wie verloren. Ich habe drei Dinge gelernt: 1. Hochmut kommt vor dem Fall, 2. vier Außenspieler können ein Spiel nicht gewinnen, 3.es ist verdammt schwer, ein spielender Trainer zu sein. Unsere Europachancen haben sich dramatisch verschlechtert. Was steht an? Am Freitag werden wir Louis´ Geburtstag feiern, am Sonntag werden wir, falls es noch Chancen auf Europa gibt, drei Stunden nach Liverpool fahren.

Die Wahl, ach ja, die Wahl! Hätte ich fast vergessen. Also erst mal verwundert einen Menschen vom Kontinent, wie man die Wahl an einem Donnerstag abhalten kann. Gut, die Wahllokale waren zwar bis 22.00 Uhr geöffnet, trotzdem konnten mehrere hundert Briten ihre Stimme nicht abgeben und wurden mosernd nach Hause geschickt - „Das läuft ja in Afghanistan besser!“ richtig, da will ja auch keiner wählen! Alle Briten, mit denen ich gesprochen habe, wünschen sich eine Koalition. Kann man sich das vorstellen? Wenn ich an das Gezänk unserer regierenden Wunschpartner denke (Stichwort Steuersenkungen) dann befällt mich großes Staunen. Ich jedenfalls könnte darauf verzichten. So oder so steht das Land mit einem Haushaltsdefizit in der Größenordnung Griechenlands vor harten Zeiten. Naja, was soll´s? Zur Not gibt es ein Rettungspaket aus Deutschland. Wenn ich diese Summen höre, 100 Milliarden Rettungsschirm, dann frage ich mich allerdings schon, woher dieses ganze Geld überhaupt kommt.

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